Fotoausstellung Imfokus in Ratingen Homberg April 2025
Der Begriff „Spiegelung“ in der Fotografie ist zweideutig.
Zum einen möchte man eine Spiegelung, z.B. durch Lichteinstrahlung auf eine Scheibe, unbedingt vermeiden, um das Bild hinter einer Glasscheibe reflexionslos zu fotografieren. Da wird die Spiegelung zum lästigen Störfaktor.
Dann aber kann die Spiegelung in der Fotografie als Kunstelement selbst genutzt werden, mit der man unendliche kreative, geheimnisvolle, doppeldeutige oder abstrakte Kunstwerke schaffen kann.
Die Reflexion von Objekten, Flächen, Wolken, Wasser usw. ist seit langer Zeit eigentlich ein Klassiker in der kreativen Fotografie und in unendlichen Varianten schon als fotografische Möglichkeit genutzt und gezeigt worden.
Um so gespannter war man, was der Fotoclub Imfokus Ratingen in seiner Ausstellung „Spiegelungen und mehr“ zeigen würde, welche neuen Sichtweisen erkennbar und welches kreative Potential in den einzelnen Mitgliedern sichtbar würde. Übrigens ist der Fotoclub entstanden aus einer Gruppe Foto-Begeisterter, die bei Anke Jensen-Giehler, deren Eltern das Fotogeschäft Buschhausen über Jahrzehnte in Ratingen geführt hatten, in Kursen das Fotografieren gelernt und ihre Leidenschaft zu ihrem zentralen Hobby gemacht haben.
Diese 12 engagierten Fotografen und Fotografinnen treffen sich einmal im Monat, nehmen sich jeweils ein Thema vor, zu dem eigene, aufgenommene Bilder gezeigt, besprochen, interpretiert oder kritisiert werden. Daneben gibt es in unregelmäßigen Abständen eine Gemeinschaftsausstellung zu einem speziellen Thema, wie hier zum Beispiel das Thema „Spiegelungen und mehr“, die in diesem Jahr im KreativAtelier Pauline Kugler in Ratingen Homberg an zwei Wochenenden präsentiert wurde.
Normalerweise geht man durch eine solche Fotoausstellung, bei denen die zahlreichen Werke an Wänden oder auf Tischen präsentiert werden, lässt sich von den Farben, Objekten, Stimmungen leiten, die die Bilder in einem auslösen, fragt manchmal neugierig nach „was sich der Künstler dabei gedacht hat“ und macht aus dem Foto sein eigenes Bild. Oder man lässt sich einfach emotional ansprechen und geht zum nächsten weiter (oder kauft das Werk).
Anders sieht es aus, wenn man sich nicht allein auf die Bilder einlässt, sondern sich auch mit den Fotografen näher beschäftigt, sich deren Motivation und Ansatz versucht zu erschließen, Hintergründe erfährt. Dann erhält man einen neuen Blick auf die Ausstellung, die einzelnen Arbeiten, erkennt man neue Zusammenhänge, Überschneidungen, formale Strukturen, wiederkehrende Bildelemente, die sich natürlich nicht auf jeden hundertprozentig beziehen, denn jeder Fotograf probiert, erforscht, versucht neue Wege.
Dennoch gibt es in der Ausstellung zwei große Ansätze, die sich herauskristallisieren:
- Die gespiegelte Realität als Verfremdung
Mehrere Ausstellende betonen ausdrücklich, dass sie zwar auch andere Möglichkeiten visueller Darstellung probiert haben, letztendlich doch bei der zumindest in Ansätzen sichtbaren Realität als ihrer zentralen Ausdrucksform bleiben. Auch in der Verfremdung bleibt dabei die Realität greifbar, sichtbar, erkennbar.

So ist zum Beispiel der Architekt Bernd Klemm jemand, der schon mit 12 Jahren begonnen hat, zu fotografieren und der bei seinen „Augenreisen“ bis heute immer wieder Gebäude sucht, Straßen, Gelände, erkennbare Strukturen, die zwar z.B. durch raffinierte Spiegelungen oder besonderen Lichteinfall verfremdet werden, bei denen aber immer noch das eigentliche Objekt erkennbar sein muss.

So geht es auch Heidi Richter. Für sie ist Fotografieren das Abbilden dessen „was man sehen kann, was auch der Betrachter erkennt und einfach versteht.“ Abstraktionen sind für sie Bearbeitung des Abgebildeten. Auch durch die digitalen Techniken möchte sie die Bilder nicht verfremden, höchstens verfeinern und so besser sichtbar zu machen. Auch die Spiegelung eines Objektes oder Landschaft ist immer noch als das Objekt und Landschaft erkennbar, nur gespiegelt.

“Ich bin eine Guckerin. Ich sehe alles, was mir gefällt“ sagt Ulla Marmann, das erste Mal bei einer Ausstellung des Fotoclubs dabei. Sie hat einen etwas anderen Ansatz. Sie geht das Thema Fotografieren spontan an, nimmt auf, was sie sieht, ohne dabei die Möglichkeiten der digitalen Fotoapparate auszunutzen. „Ich muss nicht alles verstehen, die Technik, die Apparate interessieren mich weniger.“ sagt sie. Diese „einfache Herangehensweise“ werden vielleicht manche als mangelnde Kompetenz werten, doch ihr Erfolg spricht eine andere Sprache: Ihre Fotos haben schon zweimal den ersten Preis innerhalb des Clubs gewonnen und auf der Ausstellung hat sie drei Bilder verkauft. Dem Publikum scheinen die Ergebnisse solcher Arbeiten zu gefallen.

Martina Schiller schließlich hat für ihren Zugang zu dem Thema eine klare Meinung: “Als Naturwissenschaftlerin finde ich es faszinierend, wenn man erkennen kann, was es ist. Zum Beispiel bei einem abstrakten Bild möchte ich immer noch die Struktur eines Baummusters erkennen. Als visueller Typ, aber auch Entdeckerin, brauche ich immer eine Verbindung zur Realität.Ich bin niemand, der für ein Foto etwas arrangiert “ Das gilt auch für ihre „Wischbilder“ (gestische Fotografie), bei denen das verwischte Objekt immer noch erkennbar sein sollte, wie z. B. der Wald.

Jürgen Gröter war in der Datenverarbeitung tätig und ist erst seit kurzer Zeit im Club. Er hat beim Fotografieren viel ausprobiert, heute fotografiert er gezielt, nimmt sich Zeit, zieht mit der Ausrüstung z.B. in den Medienhafen, möchte sich auf die jeweiligen „Bildwelten“ einlassen.„Ich fotografiere nicht nebenher. Das Besondere zu Entdecken ist die Kunst“ . Er möchte noch viele Fotoprojekte umsetzen, z.B. Ratingen von hinten oder maximal 200 Meter von zu Hause. Das sind Fotoprojekte, deren Grundlage die Realität dieser Welt ist. Jede Abstraktion wäre hier kontraproduktiv.
- Konstruktion und Abstraktion
Andere Ausstellende gehen einen alternativen Weg. Sie nehmen die sichtbare Welt, die Realität, als Basis, von der aus sie sich lösen, eine Schwelle zur Abstraktion überschreiten und letztlich eine neue, eigene Realität schaffen, die sich dem Betrachter nicht unmittelbar erschließt.

Gründungsmitglieder und Organisatoren des Foto-Clubs sind Jutta und Werner Köhler, die Fotografie seit 1987 zu ihrem zentralen Hobby gemacht und in vielen Fortbildungen die gesamte Bandbreite des Fotografierens erprobt haben. Inzwischen widmet sich das Paar z.B. Ausschnitten, kleinen Nebenelementen aus realistischen Fotos, durch die abstrakte, sehr oft grafisch reduzierte Abbildungen entstehen, die nicht sofort zugeordnet werden können und sich meist von dem Ursprungsobjekt gelöst haben. „Wir wollen mit Licht malen“ sagen sie und auch in der Ausstellung wollen sie durch die Spiegelung nicht nur spiegeln, sondern dadurch eine abstrakte, neue Bildwelt erschaffen, eine neue, abstrakte Realität, die sich dem Betrachtetwerden nicht sofort erschließt.

Karola Burmester ist seit 10 Jahren im Club und koppelt ihre zentralen Hobbys, nämlich Bewegung (Wandern) und Bild (Fotografie). Hierbei entsteht der größte Teil ihrer Aufnahmen. “Konstruierte, gestellte Fotos sind nicht mein Ding“, sagt sie. Die kleinsten Veränderungen des Realen im Foto sind für sie schon der erste Schritt zur Abstraktion. Die Überschreitung dieser Schwelle bedeutet für sie, alle gestalterischen Möglichkeiten zu haben als höchste Form künstlerischer Freiheit. Oft lenkt Farbe ab, daher sind viele Bilder schwarz weiß, bei dem Formen Linien besser zur Geltung kommen. „Meine Bilder sind Angebote an den Betrachter, ihr eigenes Bild daraus zu machen“.

Herbert Wilk wiederum geht heute einen anderen Weg, nachdem er über die Jahre die Welt fotografisch abgebildet hat. Ihm gelingt die Abstraktion durch gezielte Konstruktion. Das bedeutet: Seit Jahren sammelt er unterschiedlichste, meist kleine Gegenstände, stellt Teile davon immer wieder neu für sich zusammen, ändert, ordnet bis er denkt, daraus könnte ein interessantes, ausdrucksstarkes Bild entstehen, meist in Schwarzweiß.
Durch Drehung z.B. auf einer Glasplatte scheint ein Trinkglas auf einem Bild zu schweben. Durch diese Symbiose von konstruiertem Objekt und entsprechender technischer Einstellung entsteht etwas bisher nie Gewesenes. Auch hier beginnt Kunst. Form und Erkennbarkeit der Dinge und solche, die die Schwelle zur Verfremdung und Abstraktion als Form der Kunst, und Freiheit empfinden. Sich lösen von einem direkt Erkennbaren. Abgelichtete Dinge zu schaffen, die nicht sofort ersichtlich sind, die Erklärungsbedarf haben. „Die Realität abzubilden ist mein Sonderangebot. Schwerpunkt liegt bei der Konstruktion und Schaffung meines eigenen Bildes.“

Der ehemalige Elektroingenieur Heinz-Jürgen Waltke lässt sich mit seinen Arbeiten schwer in die beiden Kategorien Realismus oder Abstraktion einordnen. „Ich sehe die Welt auf einem Foto nicht wie sie ist. Schon durch das Herunterzubrechen vom Drei-zum Zweidimensionalen ändert sich die Realität.“ Er beschäftigt sich auch mit dem Einfangen eines einzelnen Momentes auf Papier, der in dieser Form nie mehr wiederholt werden kann, der verflogen ist. Auf einem Bild sieht man in Ansätzen den Rumpf eines Segelschiffes, von dem aus linienartig Taue, Segel in Form von stilisierten Linien gegen Himmel streben. So hat er dem einen Moment eine verfremdete Form, ein Bild gegeben und somit für diesen Augenblick die Zeit angehalten.
Résumé:
Die kurze Darstellung fast aller Foto-Künstler zeigt, wie unterschiedlich
und kreativ das klassische Thema „Spiegelung“ in der Ausstellung umgesetzt wurde. Jeder Künstler, jede Künstlerin hat einen eigenen Zugang, individuelle ästhetische Vorstellungen und nutzt eigene technische Möglichkeiten, will abbilden, belichten, konstruieren, abstrahieren.
Dennoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten erkennen, von einer starken realistischen Umsetzung bis hin zur Loslösung des realen Objektes zu einer, z.T. konstruierten Abstraktion.
Genau diese unterschiedlichen Herangehensweisen und Umsetzungen macht die Ausstellung so spannend, zeigt, wie vielfältig das kreative Potential der Ausstellenden ist. Man darf gespannt sein auf die nächste Ausstellung.
© Text/Bilder Michael Troesser 2025