Die Stadt als Galerie – Kunst erleben, entdecken, feiern
Manchmal ist es ein Glück, wenn man selbst nicht Teilnehmer ist. So erhält man die Möglichkeit, das Geschehen von außen zu betrachten. Nicht an einem Ausstellungsort „festsitzend“, kann man sich auf „Rundreise“ begeben, einen umfassenden Überblick gewinnen, anregende Gespräche führen und seine Mitkünstler besser kennenlernen.
Mein Fazit der Kunsttagereise: Der Reiz der Vielfalt.
Vielfalt zeigt sich sowohl in den Räumlichkeiten, in denen die Künstler ausstellen – es sind 17 Orte in der ganzen Stadt – als auch in den 28 Kunstschaffenden mit ihren unterschiedlichen Stilrichtungen, Techniken und künstlerischen Anliegen.
Eine Herausforderung schon vor Beginn der Ausstellung war es, Raum und ausgestellte Kunst in einen stimmigen Zusammenhang zu bringen. Das ist nicht einfach, insbesondere wenn es sich bei dem Ausstellungsraum um ein Lokal handelt, in das sich die Kunstwerke einfügen müssen. Aber gerade hier kann es auch besonders gut gelingen.


So baut Martina Neumayer vor dem Lokal Lumare Zur Grenze großformatige Bilder auf, die schon vom Parkplatz aus sichtbar sind. Lebhaft bunt, mit dynamischem Schwung und Bewegung, ziehen sie alle Blicke auf sich. Im Lokal selbst, dem Stil angepasst, hängen monochrome Bilder in den Farben des Ambientes.
Auch die Bilder von Gaby Hermann im Sannie Bistro & Catering scheinen eigens für den Raum geschaffen, so exakt passen sie sich der Farbgestaltung an. Landschaften, die Ruhe ausstrahlen, stehen neben Arbeiten in blumiger Farbigkeit.


Bilder und Skulpturen in einem Verkaufsraum wirkungsvoll zu platzieren, ist ebenfalls keine leichte Aufgabe. Nicole Malcherowitz, eine besonders vielseitige Künstlerin, zeigt ihre Werke in der entspannten Atmosphäre des Friseursalons und Second-Hand-Geschäfts Flotte Friese.

Die glatten Rundungen ihrer Specksteinfiguren laden dazu ein, sie zu berühren und in die Hand zu nehmen. Wie schön, dass dies erlaubt ist und man ihre Kunst auch körperlich erfahren kann.
Gabriele E. Funks Bilder und Skulpturen behaupten sich im bunten Sortiment des Garten Eden. Im Schaufenster drehen sich ihre kinetischen Objekte, fröhlich und leicht.


Ihre bekannten Weltallbilder hat sie neu interpretiert, indem sie eigens gestaltete Tarotkartenmotive in die Universen einfügt.
Auch Svend Dunkhorst und Patrick Hoffmann zeigen bei Hörakustik Plaßmann ein neues Spektrum. Svend hat zum Zeichnen zurückgefunden. Auf dem iPad entwirft er Fantasiewelten mit Figuren aus dem Science-Fiction-Genre – ohne KI, ohne Vorlagen, wie man vielleicht vermuten würde. Feingeschnittene Papierelemente und Blattgold vollenden seine Bilder. Er plant sogar, ein Buch zu seinen Bildwelten zu veröffentlichen.


Patrick wiederum hat erst vor wenigen Wochen den Dremel gegen den Pinsel getauscht – und eine beeindruckende Vielzahl an Bildern geschaffen. In seinen leuchtenden Lieblingsfarben, teils fluoreszierend, strahlen sie sogar im Dunkeln. Auf geometrischen Hintergründen entfalten sich bunte Elemente, die für ihn das Leben in all seinen Facetten symbolisieren.

Beiden Künstlern ist es ein Anliegen, Kunst nicht nur zum Anschauen, sondern zum Erleben und Feiern zu machen – bei Musik, Getränken und Austausch.
Ulla Aring, die im Buch-Café Peter & Paula ausstellt, konkurriert nicht mit den vielen Büchern. Sie verfügt über ein eigenes kleines Schaufensterkabinett. In ihren vielfältigen Bildern geht es immer wieder um Aufbruch und Veränderung, stets mit dem Ziel, positiv in die Zukunft zu blicken.

Ateliercharakter prägt das Ambiente von Andrea Lenzing in der Ratinger Marketing GmbH. Sie liebt Farben und die Natur. Ihre Werke entstehen im Prozess – wenn sich die Farben zu einem Ganzen fügen, ist das Bild für sie vollendet.

Auch im Medienzentrum spürt man bei den ausstellenden Künstlerinnen die Liebe zur Natur. Anita Esper malt bevorzugt im Freien. Ihre dynamischen, farbfließenden Landschaften lassen den Betrachter den Wind und die Witterung förmlich mitempfinden.

Marieluise Vogt-Meyer bringt ihre Faszination für Fische zum Ausdruck – ob aus dem Aquarium, dem eigenen Teich oder exotischer Herkunft. In ihren Bildern werden sie zu individuellen Wesen mit eigener Farbigkeit.

Rainer Scheffel widmet sich ebenfalls dem Tiermotiv. Seine realistischen Darstellungen blicken den Betrachter direkt an.

Alina Fenn, die vierte Künstlerin im Medienzentrum, legt den Schwerpunkt auf Emotionen. Ihre Bilder sind bunt, optimistisch und lebensbejahend – manchmal auch versunken in einer mädchenhaften Märchenwelt.

In der Freiwilligenbörse gibt es ebenfalls viel Raum für Experimente. Christine Hein zeigt neue Möglichkeiten der Cyanotypie. Wasser und Wellen formen organische Strukturen, wenn das Material am Strand ins Meer gelegt wird. Mit Negativen von Fotos entstehen weitere spannende Effekte.

Liddy Hofmann kombiniert verschiedene Techniken und Materialien. Besonders gerne arbeitet sie mit Aquarellfarben, denen sie untypische Wirkungen entlockt. Ihre Skulpturen wirken geheimnisvoll und regen zum Erzählen an.

Das Forum Lotsenpunkt bietet ideale Voraussetzungen. Die neuen Werke von Sabine Plum kreisen um das Motiv Mensch – nicht als Schönheitsideal, sondern als charaktervolle Individuen.

Jasmin Troschke malt alles, was sie interessiert. Naturverbunden, kombiniert sie Motive, die eigentlich nicht zusammengehören, zu spannungsreichen Bildwelten.

Wer im Standesamt ausstellen darf, erlebt ein besonderes „Kino“: Eine Hochzeitsgesellschaft löst die nächste ab. Ursula Stüwe-Schmitz und Michael Troesser haben diesen Ort mit Freude genutzt und ihre unterschiedlichen Werke so arrangiert, dass ein harmonisches Ganzes entsteht.
Michael Troesser malt häufig Tiere, oft mit surrealen Brechungen. Zentral ist seine Leuchtgiraffe, die Bürgermeister Pesch einst seinem Kollegen in Maubeuge als Symbol der Städtepartnerschaft schenkte.


Zugleich kann er Tiere so realistisch darstellen, dass Kinder sie füttern möchten.
In den Arbeiten von Ursula Stüwe-Schmitz steht ebenfalls das Tier im Mittelpunkt. Pferde sind ihre Leidenschaft, zuletzt ergänzt um das Motiv Kuh. Vor jedem Bild setzt sie sich intensiv mit dem Tier auseinander, um sein Wesen zu erfassen. So entstehen keine bloßen Abbilder, sondern Charakterstudien voller Zuneigung.


Auch die Stadtteile waren vertreten – obwohl es nicht leicht ist, Besucher dorthin zu ziehen. In Homberg stellten neun Kunstschaffende aus, vier davon in der Stadtteilbücherei.
Helmut Brinkmann zeigte abstrakte, an die Erdkugel erinnernde Arbeiten, in denen er die Möglichkeiten von Bitumen als Malgrund für Acrylfarben erprobt.

Susanne Bons arbeitet großflächig, Schicht für Schicht, mit Asche, Gesteinsmehlen, Papier und Pappe.

Angelika Bohnen präsentiert neben fotorealistischen Stillleben auch farbkräftige Acrylbilder mit abstrakten Motiven und Collage-Elementen.

Gabi Funck nutzt Farbe so, dass Nebel und Unschärfe entstehen. Frauenfiguren in Rückenansicht verschmelzen mit traumähnlichen Räumen.

Im Atelier Kugler stellten vier weitere Künstler aus.
Hannelore Kicken zeigt die ganze Bandbreite – von abstrakten Acrylbildern über Mixed-Media bis hin zu Collagen.

Eva Koch bleibt ihrer Leidenschaft für Berge treu. In der Serie Gipfelglück bringt sie diese in zarten blau-grauen Kreidefarben zum Ausdruck.

Norbert Thomann setzt pflanzliche Elemente in neue Zusammenhänge. In seinem Werk Dornenkrone verweben sich zahlreiche Zweige zu dynamischen Bewegungen.

Pauline Kugler arbeitet gerne mit alten Textilien. Aus Tischdecken entstehen feine monochrome Bilder – teils auch in kräftigen Farben.

Neu dabei war der Golfclub Grevenmühle. Tina Carstens’ großformatige Pastellbilder gehen eine Symbiose mit den Räumen ein und verstärken deren Wohlfühlcharakter. Manche Werke hat sie eigens für diese Räume geschaffen.

In der Stadtteilbücherei Hösel zeigt Tamuna Meburishvili verspielte Traumgeschichten, die an Chagall erinnern. Ihre Motive entstammen oft der Familie – die „Schlafende“ ist ein Selbstbildnis.

Ein ganz wichtiger Ausstellungsort für die Kunsttage ist ein besonderer Glücksfall. Er hat sich erst so spät ergeben, dass er gar nicht mehr in das Werbematerial aufgenommen werden konnte: ein neues Ladenlokal im Leerstand in der Lintorfer Straße. In Windeseile wurde es durch fleißige Hände zu einer stilvollen Galerie umgestaltet. Auch für einige Künstler, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei den Kunsttagen dabei sein konnten, ergab sich hier die Gelegenheit, ihre Werke zu präsentieren. So entstand nicht nur ein schöner Kunstort, sondern auch ein zentraler Informationspunkt für alle Fragen rund um die Kunsttage.

Elfi Lütcke, die in vielen Arbeitsstunden die Kunsttage organisiert und damit erst möglich gemacht hatte, stand hier für alle Fragen zur Verfügung.
Zum Auftakt der Kunsttage fand in der Städtischen Musikschule Ratingen die Eröffnungsveranstaltung statt, musikalisch bereichert durch zwei begabte Klavierschüler. In ihren Ansprachen betonten Elfi Lütcke und Paul Sevenich die Vorzüge der Kooperation, die längst zur Tradition geworden ist.


Als Dank und Symbol der Verbindung von Musik und Kunst überreichte Elfi Lütcke ein Ölbild mit einem Motiv aus dem Musical Phantom der Oper, an dem Herr Sevenich einst selbst mitgewirkt hatte.
© Text/Bilder Petra Baierl 2025