Eine lohnende Symbiose
Kunst kennt keine Grenzen. Sie beginnt dort, wo Schwellen überschritten werden und Neues entsteht. Dies gilt für alle Formen kreativen Schaffens, sei es in der Musik, der bildenden Kunst, der Literatur und mehr. Ohne diese Innovationen gäbe es keine neuen Epochen, Melodien, Bilder und dergleichen. Nur durch neue Ideen und Innovationen entstehen unbekannte Klangerlebnisse, Bildinterpretationen, Geschichten und Sinneseindrücke.
Bereits zweimal hatte der Kunstverein Ratingen e.V. die Möglichkeit, Arbeiten seiner Mitglieder in der Städtischen Musikschule Ratingen auszustellen, die, so der Leiter Paul Sevenich, den Flur „ungeheuer aufwerteten“ und zu einer äußerst positiven Resonanz geführt haben.
Nach einer so erfolgreichen Zusammenarbeit lag es nahe, auch weitere gemeinsame Projekte umzusetzen. Nach intensiven Überlegungen zwischen Elfi Lütcke, Leiterin des Kunstvereins, Petra Richter-Rose als Ausstellungsbeauftragte des Vereins, dem Team der Musikschule und ihres Fördervereins wurde die Idee geboren, die beiden künstlerischen Ausdrucksformen zusammen zu bringen: Musik und bildende Kunst.
So wurde das Projekt „Aus Klang wird Kunst – Musikstücke künstlerisch umgesetzt“ geboren.
Entsprechend wurden dem Kunstverein von der Musikschule zehn sehr unterschiedliche, kurze Musikstücke über YouTube als Anregung zur Verfügung gestellt, um daraus zu diesem Anlass ein neues, eigenes Bild zu kreieren.
Für die Mitglieder des Vereins eine hohe, ungewohnte und anspruchsvolle Herausforderung, der sich letztendlich über 20 Künstler und Künstlerinnen stellten.
Insgesamt wurden zahlreiche Arbeiten einer Jury aus Mitgliedern der Musikschule und des Kunstvereins übergeben, die daraus 27 Exponate für die Ausstellung aussuchte. Aus Platzgründen konnten leider nicht alle Arbeiten in der Ausstellung gezeigt werden, so Sevenich.
Die Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, den 9. Juni 2024 war keine einfache Vernissage, sondern eher ein Festakt, ein Eröffnungskonzert, für das die jungen Musikschülerinnen und Musikschüler die ausgewählten Musikstücke vortrugen. Unglaublich auf welch hohem Niveau und musikalischem Können die jungen Schülerinnen und Schüler der Musikschule Ratingen die einzelnen Stücke alleine oder zusammen mit mehreren umsetzten. Der große Applaus hat es ihnen gedankt. Parallel dazu wurden die jeweiligen Kunstwerke auf eine Leinwand projiziert, eine geniale Idee, um den Besuchern und Besucherinnen des voll besetzten Trimborn-Saales ein besonderes Erlebnis von Bild und Ton, von Note und Pinsel zu ermöglichen.
Die Bandbreite der Musikstücke war groß. Die Vorschläge reichen von der Klassik wie J.S. Bach und L. van Beethoven bis zu zeitgenössischen Komponisten wie Thomas Doss (*1966) oder Tatiana Stachak (*1973), die auch „bild“malerische Stücke komponiert haben wie eine „Ameisen Rallye“, oder einen „Marches militaires“ . Auch die Instrumentierung war vielfältig und reichte vom Klavier über Violine, Cello bis zur Gitarre und Saxophon.
Nach der Begrüßung des Hausherren Sevenich, der vor allem die für Ratingen erstmalige und außergewöhnliche Zusammenarbeit zwischen Kunst und Musik hervorhob, wurden die ersten Musikstücke vorgetragen. Anschließend folgte das Grußwort des Ratinger Bürgermeisters Pesch.
Nach weiteren Klangerlebnissen übernahm die Vorsitzende des Kunstvereins Elfi Lütcke das Mikrophon, die in ihrer Rede inhaltlich auf diese Zusammenarbeit der Elemente Musik und Bild einging. So ließen sich tatsächlich einige Künstler von Musik inspirieren und setzten diese Empfindungen in ihren Gemälden um, so wie z.B. Wassily Kandinsky.
„Man nennt dies Synästhesie. Es sind neurologische Verknüpfungen zwischen verschiedenen Sinneswahrnehmungen, ein faszinierendes Phänomen, das die Vielfalt der menschlichen Wahrnehmung zeigt“, so Lütcke, die dann ihre wunderbare Idee vortrug, bei einem nächsten Projekt den Spieß umzudrehen: Dann könnten den Musikern gemalte Bilder vorgelegt werden, die diese aussuchen, um eine eigene Melodie dazu zu komponieren. Sie erntete für diese Anregung großen Applaus. Man darf auf die Umsetzung gespannt sein.
Die jetzige Umsetzung der Musikstücke in die gemalten Bilder zeigte wieder einmal die Vielfalt der Ergebnisse aus unterschiedlichen Techniken, Materialien, Herangehensweisen, kreativen Ideen und Vorlieben der Vereinsmitglieder.
Die Bilder lassen sich grob in drei Bereiche aufteilen:
Zum einen in den Bereich der abstrakten Werke, bei denen sich die Künstler und Künstlerinnen intensiv eingelassen haben (z.T. mit geschlossenen Augen) auf ein Musikstück und unabhängig von realen Bildelementen wie Instrumente oder Noten ein neues Werk voller Emotion geschaffen haben. Mehrere abstrakte Bilder wie z.B. das großformatige Bild von Tina Carstens oder aber die Arbeit von Ulrike Bethge nutzen diesen Ansatz, um nur zwei zu nennen.
Der zweite Bereich sind halb abstrakte Bilder, in denen die Titel der Musikstücke aufgegriffen wurden, zum Teil mit erkennbaren realistischen Elementen, um z.B. Noten oder Klaviertasten erkennbar zu machen. Ein gutes Beispiel hierfür ist z.B. das Bild zur „Ameisen Rallye“ von Elfi Lütcke, bei dem innerhalb einer abstrakten Fläche Ameisenstraßen sichtbar werden. Auch haben mehrere Künstlerinnen und Künstler Elemente wie tanzende Frauen zu dem Bolero „Malaguena“ von Tatiana Stachak gemalt oder Noten eingefügt wie bei dem Werk von Gabriele Funck.
Ein dritter Bereich sind die surrealen Darstellungen mit realistischen Elementen wie einem Affen, der frustriert oder enttäuscht neben seinem Flügel zwischen den herumliegenden Notenblättern hockt. Solche Ansätze hat vor allem Helmut Brinkmann in mehreren Arbeiten umgesetzt und dabei versucht die Dramatik eines Musikstücks in einer surrealen Geschichte zu zeigen.
Auch Sarah Rose hat mit realistischen Elementen und unterschiedlichsten Materialien (wie Glas, Sand, Fliesen) aus der Musik eine bunte Bildmelodie kreiert.
Fast genauso spannend wie die Werke selbst sind kurze Sätze, mit denen die Künstlerinnen und Künstler ihr Gefühl zu ihrer Arbeit beschreiben sollten. Das ist so eine Art „back stage“ der Emotionen der einzelnen Kunstschaffenden, die ebenfalls die sehr unterschiedliche Motivation und Herangehensweisen zeigen. Während eine Künstlerin ihre Arbeiten als „Komposition“ beschreibt, öffnen andere ihr „Kopfkino“. Mehrere wollen ihre Stimmung z.B. „realistisch und changierend einfangen“. Wieder andere gehen bei ihrem Text eher analytisch vor wie z.B. “Seine Tonalität ist für die Zeit außergewöhnlich“ oder „Das Vierminutenstück (teilte ich) in 14 mal 17 Sekunden und brachte diese auf die Leinwand, um dann die Töne in jeder Zeile umzusetzen“. Durch diese Texte erhält jedes Bild neben der Musik ein weiteres Element und öffnet so auch noch mehr Möglichkeiten der Interpretation. Dies zeigt einmal mehr, wie eng künstlerische Komposition von Bild, Musik und Text verknüpft sind als unterschiedliche Ausdrucksformen kreativen Schaffens.
Ebenfalls Spannend: An jedem Werk der Ausstellung ist ein QR Code angebracht, über den per Handy das Musikstück zu dem entsprechenden Bild gehört werden kann. Durch diese aufwändige Technik, aber auch durch das ansprechende Plakat, dessen Bild von Svend Dunkhorst u.a. mittels KI erstellt wurde, ist der Kunstverein Ratingen e.V. in der Gegenwart mit all seinen digitalen Möglichkeiten angekommen.
Schön, dass auch neue Mitglieder des Vereins hier ihre Bilder z.T. erstmals im Rahmen des Vereins ausstellen konnten.
Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Oktober 2024 kostenlos in der Musikschule zu sehen, und jeder ist herzlich zum Besuch eingeladen und natürlich auch zum Kauf der Exponate.
© Text Michael Troesser © Fotos Kunstverein Ratingen e.V.