Bann und Befreiung

Fernanwesenheit aus und auf Papier

Sonderausstellung im Wallraf-Richartz-Museum in Köln     

Oft sind je die kleinen und kleinsten Dinge mit der größten Wirkung. Zum Beispiel Buchstaben, aus denen sich Wörter, Sätze, Abschnitte, Karten, Briefe, Zeitungen, Bücher machen lassen. Und damit bei Menschen unzählig viel in Gang setzen können: Bilder im Kopf, Fantasien, Träume, Emotionen, Informationen, Dramen und viele andere Dinge. Hans Zischler, eigentlich Schauspieler (z.B. Wim Wenders :“Summer in the City), Schriftsteller („Berlin ist zu groß für Berlin“ oder „Kafka geht ins Kino“) und leidenschaftlich besessen von allem, worauf sich schreiben lässt : alte Schulhefte, Zeitungen usw., hat vom Wallraf-Richartz Museum in Köln die Möglichkeit erhalten, seine erste eigene, sehr persönliche Ausstellung zu kuratieren: „Bann und Befreiung – Über Lesen und Schreiben“.

Das Museum gab dem 75 Jahre alten Zischler die Möglichkeit  mehr als vierzig Graphiken aus der Kölner Sammlung zusammenzustellen, in denen  subjektiven Prozess des Lesens und  Schreibens in vorelektronischen Zeiten – von Künstlern wie Max Beckmann, Adolf Menzel, Rembrandt, Henri de Toulouse-Lautrec auf Papier gebannt worden ist. Man muss dabei bedenken: Brief, Buch und Zeitung waren damals die sogenannten Medien, mit Hilfe derer man Fernes nah, Abwesendes wie Personen und Ereignisse vergegenwärtigen konnte. Diese „Fernanwesenheit“ (Zischler) kann man sich in der heutigen Zeit kaum noch vorstellen.

Bei der Zusammenstellung habe er sich : „von Gedanken, Notizen, Briefen und verstreuten Lesefrüchten aus dem großen gemischten Chor der Literatur leiten lassen, in der Hoffnung, dem Geheimnis des Lesens und Schreibens etwas näherzukommen.“

Beim Betrachten der Bilder und Grafiken stellt sich die Frage, “was von dem durch Lesen und Schreiben freigesetzten Bewusstseinsstrom über den mechanischen Akt hinaus überhaupt darstellbar ist? In welcher Weise sind „Bann“ und „Befreiung“ unauflöslich miteinander verschränkt? Die Darstellungen von Lektüre und Niederschrift, Zeitung und Buch treten uns auch heute noch mit einer verblüffenden Intensität entgegen. Oder, um es mit Hanns Zischler zu sagen, „wir sind eingeladen, auf eine Epoche zu blicken, in der die Post noch als das Prinzip Hoffnung galt“.(Zitat Ausstellungskatalog).

Die auf nur zwei überschaubare Räume beschränkte Ausstellung macht einem deutlich, welche Bedeutung das Wort seit seinem Anbeginn hatte, wie es vor allem auch zur Befreiung der Frau beigetragen hat, die oft nur die Möglichkeit hatten, sich durch Briefe schriftlich zu kommunizieren. Kafka, Zitate zum Thema z.B. Von Kafka bis Faust vermischt mit Grafiken und Objekten stellt eine kleine Möglichkeit dar sich dessen zu vergegenwärtigen, was uns heute so selbstverständlich erscheint: Das Wort mit all seinen Möglichkeiten: Bann und Freiheit zugleich

– Bann und Befreiung – über Lesen und Schreiben“,   Wallraf-Richartz-Museum, Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr; Eintritt: 8, ermäßigt 4,50 Euro.

-Bis 15.Januar 2023

– Die Stiftung Preußische Seehandlung hat den mit 10.000 Euro dotierten Friedlieb-Ferdinand-Runge-Preis Hans Zischler verliehen.

Text & Fotos: Michael Troesser